STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

← Startseite STOLPERSTEINE


"Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten.
Man soll und darf die Vergangenheit nicht 'auf sich beruhen lassen',
weil sie sonst auferstehen und zu neuer Gegenwärtigkeit werden könnte." (Jean Améry)


Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Heute müssen wir uns noch sehr viel stärker mit der Frage der Täterschaft während der NS-Zeit auseinandersetzen. Wir müssen vor allen Dingen fragen, wie die nationalsozialistische Gesellschaft in Gänze eigentlich funktioniert hat.


Gauparteitag 1937 in Gelsenkirchen

Abb.: Gauparteitag 1937 in Gelsenkirchen, Zuschauer jeden Alters zeigen den "Hitlergruß" – im so genannten "Dritten Reich" war es die offizielle Grußform, denn in der Zeit des Nationalsozialismus gehörte er zum pseudoreligiösen Personenkult um Adolf Hitler. (Foto: ISG)

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen

Abb.: NSDAP und angeschlossene Verbände Gelsenkirchen im Adressbuch 1939. Namentlich aufgeführt sind Kreisamtsleiter, Ortsgruppenleiter usw. (Zum Vergrößern anklicken)


Die Dabeigewesenen

In Hamburg ging kürzlich eine Datenbank online, die analog und ergänzend zur bereits für die in der Hansestadt vorhanden Stolpersteindatenbank die Dabeigewesenen in Kurzbiografien skizziert. Mit dieser Datenbank möchte die Landeszentrale für politische Bildung den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System gestützt und mitgemacht haben. Die Datenbank enthält eine Sammlung von Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedliche Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, sei es als Karrieristen, Profiteur*innen, Befehlsempfänger*innen, Denunziant*innen, Täter*innen und auch so genannte "Mitläufer*innen".

"Verbrecherische Systeme funktionieren nur dann, wenn Menschen an ihnen mitwirken, wenn Menschen sich entscheiden dabei zu sein, nahe dran zu sein, davon zu profitieren oder gar mit zu gestalten. Die Durchsetzung von Gewaltherrschaft benötigt Handelnde: Täterinnen und Täter; und sie benötigt Wegsehende und dadurch stumm Zustimmende oder nicht Widersprechende, sagt Dr. Sabine Bamberger-Stemmann (Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg), und weiter sagt sie:" Dabeigewesene waren Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen, Bekannte, Freundinnen und Freunde der Kinder. Sie waren keine Fremden, sondern sie gehörten zum vertrauten Umfeld. Zumindest waren sie ebenso wie viele Opfer ihrer Taten Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Oder sie maßten sich an, als Menschen dieser Stadt im sog. "Tausendjährigen Reich" hierher verschleppte Menschen auszubeuten, zu erniedrigen oder gar zu töten."

Es reicht nicht, mit Stolpersteinen der Opfer zu gedenken

Dr. Rita Bake, die für die Hamburger Datenbank verantortlich zeichnet, geht es mit der neuen Datenbank "nicht um eine Anklage, nicht darum, mit dem Finger auf diese Menschen zu zeigen.“ Sie sei vielmehr eine nötige Voraussetzung, um überhaupt aus der Geschichte lernen zu können. Das wiederum setzt ein umfassendes Verständnis für die historischen Zusammenhänge voraus. Bake: „Wir können die Geschichte in ihrer Komplexität nur verstehen, wenn wir nicht nur die Opfer betrachten, sondern auch die Dabeigewesenen. Denn ohne die Dabeigewesenen hätte es keine Opfer gegeben.“

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen

Abb.: Aufmarsch von Dabeigewesenen in Gelsenkirchen. Ohne die Dabeigewesenen hätte es keine Opfer gegeben.

Vor diesem Hintergrund finden sie hier eine Datensammlung unter dem Titel "Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen" - ähnlich der Hamburger Datenbank - damit wollen wir den Blick vornehmlich auf Gelsenkirchener*innen lenken, die das NS-System stützten, sich bereicherten und mitmachten. Denn auch in Gelsenkirchen wohnten Nazis oftmals Tür an Tür mit jüdischen Nachbarn oder mit Menschen aus anderen Verfolgtengruppen, die denunziert, ausgeraubt, vertrieben, deportiert und in den Konzentrationslagern und anderen Unrechtsstätten ermordet wurden. Vom Raubgut, zum Beispiel dem Mobiliar der verfolgten Menschen, profitierten nicht nur der Staat, Parteigenossen und bspw. Mitglieder von SA, Polizei und SS, sondern auch "einfache Volksgenossen" fast jeden Alters. Angehörige von SS-Wachmannschaften der Konzentrations- und Vernichtungslager wie auch Angehörige der Polizeibatallione, die an von Gelsenkirchen weit entfernten Orten ihrem Mordauftrag nachkamen, finden sich ebenfalls in dieser Datensbank. Grundlage für die Gelsenkirchen betreffende Datensammlung sind neben bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen (ISG), andere Veröffentlichungen zu Gelsenkirchen im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die in den Archiven zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt greifen wir dabei auch auf die Ergebnisse unsere bereits getätigten Recherchen zurück. Auf diese Weise wird die Datensammlung als "Work in Pogress" kontinuierlich wachsen.

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945

A - D E - I J - M N - R S - V W - Z Abk.

In die Datensammlung werden, sortiert nach Anfangsbuchstaben des Nachnamens überwiegend Per- sonen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Gelsenkirchen zeitweilig gelebt, gearbeitet bzw. gewirkt haben. In Einzelfällen werden auch Personen in die Datensammlung aufgenommen, die in Gesenkirchen geboren wurden bzw. nach 1945 nach Gelsenkirchen kamen. Neben diesen Kurzprofilen stellt die Datensammlung außerdem Adressen und Akteure der NSDAP, ihrer Organisationen, Verbände und Gliederungen sowie der Staats-, Reichs- und Provinzialbehörden in Gelsenkirchen zur Verfügung, zudem werden auch Unrechtsstätten mit Bezug zu Gelsenkirchen aufgeführt. Die Datensammlung wird fortlaufend ergänzt und erweitert. Gerne nehmen wir auch von Dritten erarbeitete Profile auf, von Privatpersonen benötigen wir zur Verifizierung der Angaben Kopien entsprechender Dokumente bzw. Nachweise. Ansprechpartner: Andreas Jordan, a.jordan(ätt)gelsenzentrum.de

Gelsenkirchen im Natinalsozialismus - Es grüßt die Stadt der 1000 Feuer

Abb.: Gelsenkirchen im Nationalsozialismus: "Es grüßt die Stadt der 1000 Feuer!" (Foto: "Auf der östlichen Seite der König­Wilhelm-Straße sind in Richtung Norden zu sehen: das neue Pförtnerhaus, die Verwaltung, die Werkstatt und das Transformatorenhaus der Gutehoffnungshütte. Heute verläuft dort die Berliner Brücke.")


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

↑ Seitenanfang