JG. 1890
IM WIDERSTAND
VERHAFTET 1943
GEFÄNGNIS GELSENKIRCHEN
1945 NEUENGAMME
MS THIELBECK
TOT 3.5.1945
NEUSTÄDTER BUCHT
Verlegeort: Liebfrauenstraße 38, Gelsenkirchen
Abb. 1: Rudolf Littek
Rudolf Littek wurde am 22. Februar 1890 in Orlen im Verwaltungsbezirk Lotzen geboren. Die rasante Entwicklung des Ruhrgebietes zog auch diesen Ostpreußen an. Im Ruhrgebiet fand er Arbeit als Kraftfahrer. Nicht wie die Bergarbeiter in einer kriegswichtigen Industrie beschäftigt, musste Rudolf Littek während des gesamten Ersten Weltkrieges als Soldat dienen.[1]
Rudolf Littek heiratete am 2. September 1919 in Gelsenkirchen Anna Muhlack [2]. das Ehepaar hatte zwei in Gelsenkirchen geborene Kinder, wovon eines bald nach der Geburt starb.
Offenbar hatte Littek im Ruhrgebiet schon bald Anschluss an die Arbeiterbewegung gefunden. Mit der Mehrheit der Gelsenkirchener Anhänger der Arbeiterbewegung trennte er sich 1921 von der SPD und wurde Mitglied der KPD. Für seine Partei gehörte er 1928 auch der Gelsenkirchener Stadtverordnetenversammlung an und wurde 1929 und 1933 jeweils auf einem Listenplatz als Kandidat bei den Kommunalwahlen aufgestellt.[3] Rudolf Littek, der auch der Roten Hilfe und dem Freidenkerverband angehörte, geriet mit der Verhaftung der Zielasko-Widerstandsgruppe im August 1943 in die Fänge der NS-Verfolgungsbehörden. Zwar wurde Rudolf Littek bei einem abgetrennten Verfahren gegen die Zielasko-Gruppe am 20. Juni 1944 vom so genannten "Volksgerichtshof" "freigesprochen", aus der Haft entlassen wurde er jedoch nicht. Nach dem Prozess, der in Amberg in Bayern stattgefand, brachte man Rudolf Littek zunächst am 8. August 1944 das Gelsenkirchener Gefängnis zurück, Ende September 1944 in das "Arbeitserziehungslager" (AEL) Lahde bei Petershagen an der Weser und dann am 6. Februar 1945 in das KZ Neuengamme östlich von Hamburg.
Abb. 2: Inhaftierungsbescheinigung Rudolf Littek (Quelle: ITS, Bad Arolsen)
Als britischen Truppen im April 1945 näher rückten, wurde das KZ Neuengamme von der SS “evakuiert”. Um den 19. April 1945 begann der Transport der Häftlinge mit Güterzügen Richtung Lübeck. Ein Großteil der Häftlinge wurde auf in der Lübecker Bucht vor Neustadt liegenden Schiffe verladen. Die "Cap Arcona", die praktisch manövrierunfähig vor Neustadt lag, die "Thielbeck", die "Elmenhorst" und die "Athen" fungierten zu dieser Zeit als schwimmende KZ, die weiter entfernt liegende Dampfer "Deutschland" sollte als Lazarettschiff genutzt werden. Die Schiffe waren total überfüllt, es gab weder Trinkwasser noch Lebensmittel für die Häftlinge. Die Leichen wurden an Deck gestapelt.[4] Die SS legte es vermutlich darauf an, dass die KZ-Schiffe als vermeintliche Truppentransporter Ziele britischer Bomber werden könnten.
Die Meldungen des Schweizer und Schwedischen Roten Kreuzes über die Verladung von KZ-Häftlingen in der Neustädter Bucht erreichte die Piloten der britischen Bomber jedoch nicht mehr rechtzeitig, am 3. Mai 1945 griffen britische Kampfflugzeuge die Schiffe an. Auch die mehrfach getroffene "Thielbeck" kenterte, auf Grund der geringen Wassertiefe konnten die Schiffe nicht sinken. Viele der sowieso ausgezehrten und von der KZ-Haft geschwächten Menschen sprangen in die kalte See, um sich eventuell noch retten zu können. Die SS-Wachmannschaft schoss noch von den sich neigenden Schiffen aus auf die sich im Wasser befindlichen Menschen. Wer es an dennoch Land schaffte, wurde dort von SS-Wachmannschaften erwartet und ermordet. Von den etwa 7.000 Menschen der "Cap Arcona" und der "Thielbeck" überlebten nur rund 600.[5] Rudolf Littek gehörte nicht zu den Überlebenden, er starb auf der "MS Thielbeck" [6] Mit Beschluss vom Amtsgericht Hamburg vom 3. Oktober 1947 wurde Rudolf Littek am 3. Mai 1945 für tot erklärt. [7] Die Gelsenkirchener DKP hat die Patenschaft für den Stolperstein übernommen.
Abb.3: Frauen ermordeter Gelsenkirchener Widerstandskämpfer aus der Zielasko-Gruppe, um 1948 (von rechts nach links): Luise Eichenauer, Anna Littek (1899-1987), Emma Rahkob (1898-1972), Anna Bukowski (1901-1986), ganz links Auguste Frost.
Quellen:
Abb.1: Privat
Abb.2: Copy of 6.3.3.2 / 90560036 in conformity with the ITS Archives, Bad Arolsen, Korrespondenzakte T/D 279 735
Abb.3: Blog "Antifaschistisches Gelsenkirchen", Hartmut Hering und Marlies Mrotzek, "Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung", Gelsenkirchen 1988, S. 48.
[1] "Gelsenkirchen im Nationalsozialismus". Katalog zur Dauerausstellung. Hrsg. ISG, bearb. von Stefan Goch. Essen, Klartext, 2000; S.167
[2] Copy of 6.3.3.2 / 90560036 in conformity with the ITS Archives, Bad Arolsen, Korrespondenzakte T/D 279 735
[3] "Gelsenkirchen im Nationalsozialismus". Katalog zur Dauerausstellung. Hrsg. ISG, bearb. von Stefan Goch. Essen, Klartext, 2000; S.167
[4] Vgl.: Tausende KZ-Häftlinge starben in der Lübecker Bucht https://www.its-arolsen.org/de/forschung-und-bildung/historischer-hintergrund/jahrestage/index.html?expand=3994&cHash=8646f970775e08e291e627b75a1b7c05 ; Abruf Juli 2015
[5] ebd.
[6] Copy of 6.3.3.2 / 90560036 in conformity with the ITS Archives, Bad Arolsen, Korrespondenzakte T/D 279 735
[7] Meldeunterlagen, StA Gelsenkirchen, ISG
Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2015
Stolperstein für Rudolf Littek, verlegt am 6. Oktober 2016
Redebeitrag von Ulla Möllenberg anläßlich der Stolperstein-Verlegung für Rudolf Littek:
"Wir sind stolz, dass nun in Gelsenkirchen auch ein kleines Denkmal an Rudolf Littek erinnert. Rudolf Littek war vor und in der Nazizeit unser Genosse. Was wissen wir von ihm? Ich zitiere aus dem Urteil des Nazi-Hochverratsprozesses vom 20. Juni 1944 zu seiner Person:
„R. Littek gehörte von 1921 bis 1933 der KPD an, wo er zeitweilig als Kassierer tätig war. Im Jahre 1928 wurde er kommunistischer Stadtverordneter in Gelsenkirchen und kam auch bei späteren Wahlen auf die Liste der Stadtverordneten, ohne indessen noch einmal gewählt zu werden. Innerhalb der KPD war er Leiter der Gewerkschaft des linken Flügels des Deutschen Verkehrsbundes und gehörte als solcher auch bis 1933 dem Betriebsrat der Konsumgenossenschaft „Eintracht" an. Ferner war er Mitglied der Roten Hilfe und des Freidenkerverbandes." Wir wissen ferner, dass er Kraftfahrer war, in diesem Haus gewohnt hat. Dass er verheiratet war und einen Sohn hatte und dass er - schon in einer späten Phase der Nazibarbarei die Zielasko Widerstandsgruppe unterstützt haben soll. Aus diesem Grund ist ihm der Prozess gemacht worden, in dem andere seiner Genossen zum Tode verurteilt wurden.
Rudolf Littek ist freigesprochen worden, dass hieß aber bei den Nazis, dass er in so genannte "Schutzhaft" genommen und schließlich in das Konzentrationslager Neuengamme überführt wurde. Als das sogenannte "Dritte Reich" unter den Schlägen der Anti-Hitlerkoalition zusammenbrach, ist er auf den Todesmarsch auf das KZ-Schiff Thielbeck geschickt worden, das dann durch englische Bombenangriffe versenkt wurde. So kam er um. Rudolf Littek gehörte zum kommunistischen Widerstand, über den der Historiker Helmut Kohl urteilte, dieser zähle gar nicht als Widerstand gegen die Nazis. Und so ist der Widerstand von Tausenden, die ihn aus Gewissensnot wie aus politischer Überzeugung aktiv und unter Einsatz ihres Lebens leisteten, hinweggewischt worden, weil sie Kommunisten waren.
Dieser Stolperstein für Rudolf Littek trägt dazu bei, den Mantel des Schweigens ein wenig zu lüften, der aus kontinuierlichem Antikommunismus seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts dieses Land durch alle politischen Schattierungen seiner Regierungen und tonangebenden politischen Kräfte prägt. Für uns Antifaschisten und hoffentlich darüber hinaus für andere demokratisch gesinnte Menschen bleibt Rudolf Littek ein Beispiel für den selbstlosen, unerschrockenen Einsatz gegen die Barbarei und für das Recht aller Menschen, im Frieden zu leben. Er selbst wurde dafür zum Opfer, seiner Familie, seinen Freunden ist ein schwerer Verlust durch seinen Tod zugefügt worden. Wir achten dieses Opfer, indem wir sein Andenken ehren, das es uns auferlegt, seine Haltung als Beispiel für das Vorhandensein jener anderen Gesinnung in Teilen der deutschen Bevölkerung zu nehmen, die im Wissen um die Konsequenzen das Unrechtsregime persönlich bekämpft haben."
Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Nachtrag Oktober 2016.