STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Stadt der 1000 Feuer

Trotz des Übergewichts der KPD ist Gelsenkirchen schon früh eine Hochburg der NSDAP – bis Ende 1932 sitzt hier die Gauleitung für Westfalen-Nord. Auch nach der Übersiedelung der Gauleitung nach Münster bleibt die Bindung des NSDAP-Gauleiters Alfred Meyer an die Stadt bestehen. Gelsenkirchen inszeniert sich zwischen 1933-1945 als die "Stadt der 1000 Feuer" – eine ehemalige "rote Hochburg" und Arbeiterstadt, die "vorbildhaft zum Hakenkreuz übergegangen" ist. Dementsprechend besaß Gelsenkirchen eine hohe Bedeutung für die NS-Propaganda, zumal Gelsenkirchen eine der wichtigsten Industriestädte, Rüstungsschmieden und Zechenstandorte im so genannten "Dritten Reich" war.

Gelsenkirchen im Natinalsozialismus - Es grüßt die Stadt der 1000 Feuer

Abb.: Gelsenkirchen im Nationalsozialismus: "Es grüßt die Stadt der 1000 Feuer!"

Zwischen 1936 und 1938 finden die Gauparteitage (Gautreffen) der NSDAP-Gaues für Westfalen-Nord in Gelsenkirchen statt - mit großen Aufmärschen auf dem Wildenbruchplatz. Gauleiter Meyer hatte eine enge Bindung an die Stadt. Sein Rechenschaftsbericht während des Gautreffens 1936 diente dazu, die Errungenschaften der Partei und des "Führers" besonders beim Abbau der Arbeitslosigkeit herauszustellen. Auch Oberbürgermeister Karl Böhmer führte in seiner Begrüßungsansprache aus, dass grade Gelsenkirchen "die an Wunder grenzenden Segnungen einer vierjährigen nationalsozialistischen Regierung besonders zu schätzen" wisse. Kreisleiter Kossol schloss seine Rede mit den Worten: "Die Nationalsozialisten Gelsenkirchens aber kennen nur ein Ziel, den letzten Volksgenossen zu einem fanatischen Fechter unserer politischen Glaubenslehre zu machen."

Plakat zum Gautreffen 1936 in Gelsenkirchen, der Stadt der 1000 Feuer

Abb.: Plakat zum Gautreffen 1936 in "Gelsenkirchen, die Stadt der 1000 Feuer". Auch der tote NS-"Held" Knickmann lebt auf dem Plakat dauerhaft fort.

Neben Joseph Goebbels nahmen an den Gautreffen in Gelsenkirchen auch andere prominente Nationalsozialisten teil: u.a. Reichsarbeitsführer Robert Ley, Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink, SA-Stabschef Lutze, NSDAP-Rechtsamt-Reichsleiter Hans Frank, Reichssportführer von Tschammer und Osten.

Gelsenkirchen hatte auch in propagandistischer Hinsicht für die NSDAP große Bedeutung. Die Stadt hatte vor 1933 einen hohen Anteil von Kommunisten und nach 1933 eine "beispielhafte" Wandlung zur nationalsozialistisch durchdrungenen Stadt vollzogen. Gelsenkirchen präsentierte sich als "Stadt der 1000 Feuer", als Arbeiter- und Bergbau- stadt, die es geschafft hatte, den Arbeiter für das neue Regime zu gewinnen. Die NSDAP verdeutlichte damit ihren Anspruch, "Arbeiterpartei" zu sein - auch der ortsansässige Fußballverein FC Schalke04, die so genannte "Arbeiterelf", unterstrich diesen Anspruch der Nazis.

Die Hitler-Jugend mit ihren Auf- und Vorbeimärschen war als "Trägerin der Zukunft" ein zentrales Element bei den großen Veranstaltungen der Partei, so auch bei den Gauparteitagen in Gelsenkirchen. Wie schon in den Jahren zuvor nahm auch die Wehrmacht am Gautreffen 1938 teil. Partei und Bevölkerung salutierten gemeinsam den vorbei marschierenden Soldaten. Auf dem Gautreffen betonte NSDAP-Gauleiter Alfred Meyer die Erfolge der "Arisierung" und sprach die Hoffnung aus, das mit dem "Verschwinden der Juden aus unserer Wirtschaft auch der letzte Zug jüdisch-liberalistischer Gesinnung aus unserem Volksleben verschwindet."

Vgl. hierzu auch: Dokumentationsstätte "Gelsenkirchen im Nationalsozialismus", Katalog zur Dauerausstellung. Essen, 2000.

Vom Fortwirken der NS-Propaganda in der ehemaligen "Tausendfeuerstadt"

Zu den Gautreffen stellte sich die Stadt Gelsenkirchen gegenüber den NS-Gliederungen aus dem Gau Westfalen-Nord als Bergbaustadt und Stadt der Montanindustrie vor - bzw. wurde von der NSDAP, den Sonderausgaben der Zeitungen, Festschriften und auswärtigen Zeitungen so dargestellt. So wurde die Stadt anlässlich dieser Großveranstaltungen nicht nur mit Hakenkreuzfahnen geschmückt, sondern auch mit zahlreichen Grubenlampen und Transparenten, die den Titel "Stadt der Tausend Feuer" verkündeten. Die Propagierung eines mit diesen Begriffen und Inhalten belegten "Images" der Stadt - heute würde man sagen "corporate identity" - passte gut zum Anspruch der NSDAP, Arbeiterpartei zu sein, und in die Ideologie der Volksgemeinschaft. Gegenüber den Gelsenkirchenern wurde die Durchführung der Gautreffen gerade hier als besondere Ehrung der Stadt, ihrer Bevölkerung und der Arbeiterschaft dargestellt. Der Begriff "Tausendfeuerstadt" dürfte erst durch die Propaganda der Nationalsozialisten eine große Verbreitung gefunden haben, die bis in die Gegenwart fortwirkt.

Vgl. hierzu auch: Stefan Goch, "Parteifeiertage - Feiern der Staatspartei", in: Priamus/Goch, Macht der Propaganda oder Propaganda der Macht? Inszierung nationalsozialistischer Politik im "Dritten Reich" am Beispiel der Stadt Gelsenkirchen. Essen, 1992.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2017.

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