rause STOLPERSTEINE Gelsenkirchen - Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen. KZ Kaiserwald in Riga - Täter

STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

KZ Kaiserwald in Riga - Täter  

1943 befahl der "Reichsführer-SS" Heinrich Himmler, die jüdischen Ghettos im Baltikum aufzulösen und deren Bewohnerinnen und Bewohner, bei denen es sich zu dieser Zeit ja faktisch bereits um Häftlinge handelte, zu ermorden oder in Konzentrationslager zu verbringen. Alle noch in Ghettos lebenden Juden sollten in Konzentrationslagern "zusammengefasst" werden, um dort Zwangsarbeit zu leisten. Diejenigen, die dafür zu alt waren, wurden ausgesondert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Übersichtskarte Mord- und Unrechtsstätten in Riga

Abb.: Übersichtskarte Mord- und Unrechtsstätten in Riga (Quelle: Riga-Komitee)

Im Zusammenhang mit der Auflösung des Ghettos in Riga wurde im Frühjahr 1943 das Konzentrationslager Kaiserwald errichtet. Es war vom Umfang her recht klein und umfasste nur eine Fläche von 150 Metern mal 225 Metern. Es war jedoch der organisatorische Mittelpunkt der Registrierung und des Arbeitseinsatzes der Juden der Ghettos in Lettland und auch in Litauen – soweit sie den Holocaust bis dahin überlebt hatten. Da die Häftlinge durch Zwangsarbeit ausgebeutet werden sollten, entstanden auch 18 Außenlager zu dem eigentlichen KZ. Dort hielten sich vermutlich zwischen 2.000 und 3.000 Häftlinge beiderlei Geschlechts auf. Das KZ Kaiserwald war zwar kein Vernichtungslager wie beispielsweise Auschwitz, aber es fanden regelmäßig Selektionen statt, denen alle zum Opfer fielen, die zu jung, zu alt oder zu schwach zum Arbeiten waren.

Brief Hermann, Voosen, Auszug: KZ Kaiserwald in Riga - Täter

Abb.: KZ Kaiserwald in Riga - Täter (Wiener Holocaust Libarary)

Brief Voosen, KZ Kaiserwald in Riga - Täter. Auszug: [...] Hingegen ist folgendes sehr wichtig. Der Berufsverbrecher Willy Schlüter, war Capo im K.Z. Kaiserwald bei Riga. Als solcher leitete er das Personenstandsregister als Arbeitseinsatz. Nach Auflösung des K.Z. Kaiserwald kam er im Nov. 1943 zu uns als rechte Hand, und im Dienste der Waffen-SS, des Hauptscharführer [sic] Brünner. [sic] Brünner stammt aus Essen, Ruhr, Altenessen oder Gladbeck. Von Beruf war er vor seinem Eintritt in die aktive SS, Metzgermeister. Schlüter lebte vor seiner Zuchthauszeit in Osnabrück. [sic] Brünner war im Besitz eines grossen Koffer voller Personalien, über alle Juden, die durch das K.Z. Kaiserwald gegangen waren. )Richtige Schreibweise: Brüner (Hans))

Es handelt sich um viele 1000 Juden. [sic] Brünner ist einer der Hauptverbrechen im K.Z. Kaiserwald. Er kann Auskunft geben über die vielen dort durchgeführten Aktionen, und den Verschickungen nach den sagenhaften, sogenannten Stützpunkten, wie er auch über alles und inbesondere über die dem K.Z. Kaiserwald angegliederten Lägern in Estland u.s.w., die uns bisher nicht bekannt wurden, und über alle von seiner vorgesetzten Behörde ergangenen Anweisungen und Befehle orientiert ist. Er kann auch Aufschluss geben über die gesamte S.D. also alle Verbrecher im Raume von Riga und dem Gebiete hinter der Nordfront. Im Dezember 1944 ist [sic] Brünner von einer Fliegerbombe getroffen und schwer verletzt worden. Als Verwundeter wurde er nach Deutschland zurückgebracht und hat später mitgeteilt, dass er sich auf der Besserung befindet.

Willy Schlüter befand sich von diesem Zeitpunkt an im Besitz des Koffers und hat die Listen und Karthotheken. Er selbst hat mir verschiedentlich Auskünfte daraus geben können. Schlueter ist mit uns in das Gefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert worden, und wurde von dort von dem Unteroffizier Heinz Müller, aus Mülheim Ruhr, von Beruf Frisör, Anfang April 1945, herausgeholt. Unteroffizier Heinz (Heinrich) Müller war unser Lagerchef, von Nov. 1943 bis Febr. 1945, auch eine feine Marke.

Es wäre von äusserster Wichtigkeit, zur Klärung zahlreicher Verbrechen, wenn diese Herren sichergestellt werden könnten. Ich würde mich gern als notwendiger Verbindungsmann, zwischen der allierten Behörden und den aus den Lägern in Riga befindlichen deutschen und lettischen Juden, die gerettet worden sind, zur Verfügung zu stellen, um das Anklagematerial zu beschaffen und zu ordnen. Nachstehend gebe ich die Namen einiger Verbrecher aus Riga an:

Obersturmführer Krause, Kommandant des Ghettos Riga, angeblich im Jahre 1944 bei Partisanenkämpfen ums Leben gekommen.
SS SCHF. Gymnich, aus Köln von Beruf Kraftfahrer, Adjudant des Obersturmführer Krause.
SS USTF. Migge, Verwaltung der unerhört mangelhaften und unzureichenden Lebensmittelversorgung des Ghettos.
SS USTF. Roschmann, aus Wien, Juristischer Beirat von Beruf. Nach Krause Kommandant des Ghettos.
SS OSTF. [sic] Meywald, hat sich bei Tötungsaktionen besonders ausgezeichnet. (Richtige Schreibweise: Maywald (Gerhard))
Wachtmeister [sic] Tuchei, Wachtmeister Neumann, die Ermordung der 36000 lettischen Juden wurde unter ihrer Führung durchgeführt. Weitere zahlreiche Ermordungen deutscher Juden. (Richtige Schreibweise: Tuchel (Otto)
UFFZ. Mandel, aus Wien, war Spitzel und Verbindungsmann zwischen den Juden und dem Kommandanten Ustf. Roschmann.
SS USCHF. Seck, Rudi aus Pommern, angeblich Landwirt, war Lagerkommandant des Vernichtungslager Jungfernhof bei Riga.
SS USTF. Nickel, war Kommandant des Vernichtungslagers Salapils bei Riga.
SS RTTF. Teckelmeier, aus Westfalen, war seine rechte Hand und ein Teufel.
SS STUBAF. Dr. med. → Krebsbach aus Köln war verantwortlicher Arzt im K.Z. Kaiserwald und hat tausende von Juden in den Tod geschickt.
D. Wiener, Ebenfalls Chefarzt im K.Z. Kaiserwald.
SS USCHF. Hirsch, Chef der Bekleidungskammer im K.Z. Kaiserwald.
SS HSCHF. Sorge, und aus dem Arbeitslager Spilve bei Riga.
UFFZ. Schuhmacher, haben den Tod zahlreicher Kinder und Erwachsener auf dem Gewissen.
Vom Arbeitslager Wolf & Döring: Klemens & Mücke, beide Vorarbeiter bei der Firme, sind berüchtigte Verbrecher an uns.
SS USTF. Reese, von der SD-Dienststelle Riga zuletzt 1945 gesehen bei der Gestapo Hamburg u. SS Wiedemann sind Mörder an uns.
UFFZ. Schwellenbach, aus Siegburg, oder Nachbarschaft, von Beruf Schneider.
OZLM. Thomas, im A.B.A. 701 Riga, UFFZ. Karp und UFFZ. Kahn, Franz, (als Koch), waren Sadisten und haben uns gequält.

Von den Berufsverbrechern die in K.Z. Kaiserwald als sogenannte Capos die Juden beaufsichtigen mussten, und ausserdem Verwaltungsposten innehatten, und die Juden geprügelt, geschlagen und getötet haben, folgenden Namen:

Bollek, polnischer Häftling von Beruf Boxer.
Xaver, Abel, genannt Mr. X. Er befand sich 1945 im K.Z. Kaiserwald bei Riga.
Hauptverbrecher im gesamten Baltikum war der Leiter der SD Riga und Stellvertretender Chef des SD, Major Dr. Rudolf Lange. Dieser Mörder hat nicht nur für die zahlreichen Todesaktionen, worin tausende von Juden auf einmal hingerichtet waren, verantwortlich gezeichnet, sondern nachweislich durch noch lebende Juden, einzelne Juden ohne jeden Grund über den Haufen geschossen. [...]

Die vorstehend genannten Dienstgrade verweisen darauf, dass sich SS, Polizei ebenso wie Wehrmachtsangehörige gleichermaßen an Ausbeutung, Folter und Mordgeschehen in Riga beteiligt haben.

Hermann Voosen benennt die Täter, die ihm in seiner von den Nazis aufgezwungenen Lebenswelt in den Unrechts- und Mordstätten im Baltikum namentlich bekannt geworden sind - die Auflistung erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So soll auch der UFFZ. → Heinrich Müller, Lagerkommandant des Arbeitslagers jüdischer Häftlinge, Armeebekleidungsamt 701, Riga (ABA 701) nicht unerwähnt bleiben. Der Zeitzeuge Max Schloss aus Gelsenkirchen-Horst nennt in einem nach seiner Befreiung verfassten Bericht über die Zeit seiner Gefangenschaft geleisteten Zwangsarbeit im Heeres-Kraftwagenpark Nr. 641 (Riga) →weitere Täternamen.Thematisch weiterführender Link: → Täter und Einheiten in Riga.

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Franziska Jahn, Das KZ Riga-Kaiserwald und seine Außenlager 1943-1944: Strukturen und Entwicklungen. Verlag: Metropol, 2018
Andrej Angrick, Peter Klein, Die "Endlösung" in Riga, Ausbeutung und Vernichtung 1941-1944. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. November 2024.

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