STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


Stolpersteine Gelsenkirchen

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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Johann Mehrholz

Am 1. April 1945 (Ostersonntag) beauftragte der Ortsgruppenleiter Kämmerling in Gelsenkirchen den Führer einer Volkssturmkompanie, die eigentlich mit der Bewachung von Panzersperren in Richtung Wanne beauftragt war, einen Ingenieur von den Deutschen Eisenwerken (DEW) vorzuführen. Dessen jüdische Frau befand sich in einem Konzentrationslager und der Ortsgruppenleiter verdächtigte ihn des Verrats. Der Volkssturmkommandant stellte Johann Mehrholz ab, den Kämmerling einen Politischen Leiter beigesellte. Nachdem die beiden den Ingenieur abgeholt hatten, erschoss ihn Mehrholz unterwegs. Das Motiv blieb im Vagen. Das Gericht kam zu dem Schluss, das Mehrholz, der nicht Parteigenosse oder Mitglied einer NS-Organisation gewesen war, unter Eindruck der allgegenwärtigen Forderungen nach scharfem Vorgehen "gegen alle Verräter und Miesmacher [...] ohne grosse Überlegungen auf den Gedanken gekommen" sei, "zu schießen".

Quelle: Sven Keller, Volksgemeinschaft am Ende: Gesellschaft und Gewalt 1944/45, München 2013, S.142-143

Tatort: Gelsenkirchen, Wanner Str. Höhe Alterswerk / Einmündung Skaggerakstraße

Zitat aus dem Urteil:

Der Angeklagte (Mehrholz) wird als Totschläger zu fünf Jahren Zuchthaus kostenpflichtig verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm auf die Dauer von drei Jahren aberkannt. Die erlittene Untersuchungshaft wird angerechnet.

(...) "Er kam sodann zum "Freikorps Sauerland" des Volkssturmes, dessen zweite Kompanie zur Bewachung der Panzersperren zwischen Gelsenkirchen und Wanne eingesetzt war. (...) Der Angeklagte setzte sich hinter Meyer wie bisher in geringer Entfernung von 1½ bis 2 m in Bewegung in der bisherigen Marschrichtung. Das geladene und entsicherte Gewehr hatte er wieder an der Hüfte im Anschlag. Als der LKW angefahren war und Meyer und der Angeklagte sich gerade in Bewegung gesetzt hatten, schoss der Angeklagte auf Meyer. Der Schuss traf Meyer in den Rücken. Meyer fiel vornüber auf das Gesicht. Der Angeklagte ging noch einen Schritt näher und gab auf den vor ihm Liegenden einen weiteren Schuss ab, der diesen in den Hinterkopf traf. Der Angeklagte kniete neben ihn hin und stellte fest, dass der Tod bereits eintrat. Nun näherten sich einige Belgier und Ukrainer. Der Angeklagte liess sie die Leiche in einen Bombentrichter auf der anderen Seite der Straße legen und einscharren. Sie liehen sich zu dem Zweck von dem Wächter von Tor 3, dem Zeugen L., eine Schaufel. Die Leiche wurde oberflächlich mit Erde bedeckt.(...)"

Vgl.: Einzelausfertigung der Gerichtsentscheidung des Verfahrens Lfd.Nr.016, LG Essen vom 21.03.1947, 29 KLs 2/46 in JUSTIZ UND NS-VERBRECHEN Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen, 1945 – 1966, Band I, Die vom 08.05.1945 bis zum 12.11.1947 ergangenen Strafurteile Lfd.Nr.001 – 035


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2017.

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