STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Leiter des Gesundheitsamtes und Amtsarzt Dr. Heinrich Hübner

Medizinaldirektor Dr. med. Heinrich Hübner leitete das Gesundheitsamt Gelsenkirchen von 1934 bis 1945

Dr. med. Heinrich Hübner stammte wie viele Gelsenkirchener aus Ostpreußen und war dort am 23. Februar 1879 in Insterburg geboren worden. Er besuchte das Gymnasium in Gnesen und machte 1890 Abitur. Anschließend studierte er Medizin in Greifswald, Berlin und Königsberg und erlangte seine Approbation im Jahr 1903. Seine staatsärztliche Prüfung legte er dann im Jahr 1907 ab. Bevor er sich 1908 als Arzt in Schwersenz bei Posen niederlassen konnte, mußte er noch seinen Militärdienst ableisten.

Noch im Jahr 1908 wurde Dr. Heinrich Hübner zum Kreisarzt in Posen-West ernannt. Im Ersten Weltkrieg wurde Hübner bereits im ersten Kriegsjahr zum Militär eingezogen. Aufgrund seiner Qualifikation und seiner vorherigen Tätigkeit als Kreisarzt wurde Hübner dann in den vom Deutschen Reich besetzten polnischen Gebieten als Kreisarzt eingesetzt, ab 1915 in Lodz und ab 1916 in Warschau. Nach dem von Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg kehrte Hübner 1918 wieder als Kreisarzt nach Posen-West zurück. Doch hier blieb er nicht mehr lange, 1919 wurde er als Kreisarzt nach Waldenburg in Schlesien versetzt.

Von dort aus wurde Dr. Heinrich Hübner 1934 als Kreisarzt nach Gelsenkirchen geschickt, wo er ab Juli 1935 im Rahmen der Durchführung des "Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens" vom 3. Juli 1934 als Amtsarzt und Leiter des Gesundheitsamtes bei der Stadt Gelsenkirchen angestellt wurde. Dr. Hübner trat auch in dieser Funktion für eine Verschärfung der "Überwachung" der Sinti und Roma ein. Schon 1936 hielt Dr. Heinrich Hübner fest:

"Es ist nicht zu dulden, das der unheilbar Geisteskranke seine nutzlosen Tage in Palästen verbringt und der gesundheitlich wertvolle Volksgenosse in seiner Lebenshaltung heruntergedrückt wird, weil er über Gebühr belastet wird (...)".

Ab 1938 durfte Dr. Heinrich Hübner sich als „Städtischer Obermedizinalrat" bezeichnen, 1943 wurde er zum "Medizinaldirektor" befördert. Dr. Heinrich Hübner trat nicht der NSDAP bei, sondern wurde ab 1. April 1934 Mitglied in der NS-Volkswohlfahrt und im selben Jahr auch beim NS-Ärztebund und beim Reichsbund der Deutschen Beamten. Aufgrund des Zweiten Weltkrieges wurde Hübners Versetzung in den Ruhestand zunächst verschoben.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, die Dr. Heinrich Hübner als von der geflohenen Verwaltungsspitze zurückgelassener Notleiter der Gelsenkirchener Stadtverwaltung erlebte, stellte er schließlich im Dezember 1945, bereits 66 Jahre alt, einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand. Am 1. April 1946 trat Dr. Heinrich Hübner in den Ruhestand. Er starb am 8. Januar 1962.

Quelle: Stefan Goch, "Mit einer Rückkehr nach hier ist nicht mehr zu rechnen" - Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des "Dritten Reiches" im Raum Gelsenkirchen, Essen 1999. Leiter des Gesundheitsamtes Dr. Heinrich Hübner, S.61-62.

Zwangssterilisationen in Gelsenkirchen 1934/35

Dr. Heinrich Hübner war als zuständiger Amtsarzt u.a. maßgeblich für die Zwangssterilisation von mehreren hundert vorgeblich "Erbkranken" Menschen aus Gelsenkirchen verantwortlich. Allein zwischen dem 1. Januar 1934 und dem 30. September 1935 waren Dr. Hübener bereits 2911 "Erbkranke" gemeldet worden. Bis zum Erhebungszeitpunkt 1937 (nach Heller) waren davon 700 Fälle bearbeitet, in 641 Fällen beantragte Dr. Hübner beim Erbgesundheitsgericht Essen die Sterilisation, die übrigen stufte er als 'nicht erbkrank' oder 'zu alt' ein, 365 Menschen waren da bereits sterilisiert worden. Die "Unfruchtbarkeitsmachungen" wurden in der Vestischen Frauenklinik (Elisabeth-Krankenhaus in Erle) bzw. im Bergmannsheil Buer durchgeführt, dabei kam es auch zu einzelnen Todesfällen.

Tab 1: Sterilisationsanträge in Gelsenkirchen 1934/35; nach Heller 1937, S.8;
Tab 2: Alter der Sterilisierten in Gelsenkirchen 1934/35; nach Heller 1937, S.13:

Zwangssterilisationen in Gelsenkirchen 1934/35

Vgl.: Ludwig Heller: "1 3/4 Jahre Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Gelsenkirchen", Diss.med.; Münster 1937


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

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