STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Die Dabeigewesenen - Gelsenkirchen 1933–1945


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Von NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Schweigenden und Zuschauer/innen

Stadtpolizeiamtsleiter Fritz Schenk

Fritz Schenk war einer derjenigen Beamten in Gelsenkirchen, die nach langer Laufbahn als Berufssoldaten die Möglichkeit nutzten, Beamte zu werden. Schenk war als Sohn eines Feldwebels, der ebenfalls später Beamter wurde, am 9. September 1885 in Memel im Regierungsbezirk Königsberg geboren worden. Nach Volksschule und Mittelschule hatte er eine Ausbildung zum Tischler absolviert. In diesem erlernten Beruf arbeitete er dann aber doch nicht, sondern ging zum Militär. Im Militärdienst blieb er vom 10. Oktober 1905 bis zum 25. April 1919 und war damit während des gesamten Ersten Weltkriegs Soldat. Überwiegend wurde Fritz Schenk im Bereich der Verwaltung, der Materialbeschaffung und beim Nachschub eingesetzt.

Direkt im Anschluß an seine Militärzeit gelang Schenk der Einstieg in eine Beamtenlaufbahn: am 26. April 1919 wurde er bei der Stadt Buer als Magistratsassistent stellt und arbeitete hier bis Februar 1920 im Polizeibüro Buer. Dann wechselte er in verschiedene Ämter und Abteilungen der Bueraner Stadtverwaltung. Bis Mai 1922 war er beim Bueraner Stadtsteueramt tätig, ab Mai 1922 dann beim Bauverwaltungsamt in Buer. Dort blieb er bis April 1933 und nach vorübergehender Tätigkeit beim Jugendamt wechselte er im Juli 1933 zur städtischen Zwangsverwaltung. Während seiner Arbeit bei der Stadtverwaltung in Buer und dann bei der durch Zusammenlegung von Buer, Horst und Gelsenkirchen geschaffenen Gesamtstadt Gelsenkirchen(-Buer) durchlief Schenk, der entsprechende Verwaltungslehrgänge absolvierte, die übliche Beamtenlaufbahn, wurde 1922 Stadtsekretär, 1923 Oberstadtsekretär und 1927 Stadtinspektor.

Fritz Schenk war vor 1933 politisch nicht organisiert, er gehörte nur Standesorganisationen der Beamten und seit 1919 dem politisch rechtsstehenden Reichstreubund (ehemaliger Berufssoldaten) an. Der NSDAP trat Fritz Schenk dann aber kurz nach der Übertragung der Macht an die Nationalsozialisten und noch vor dem Aufnahmestop für neue NSDAP-Mitglieder bei, ab 1. Mai 1933 mit Nr. 3.570.635. Bei der NSDAP wurde er Blockleiter und damit auch politischer Leiter. Seitdem 1. Juni 1934 gehörte Fritz Schenk auch der SA an und erhielt hier den Rang eines Rottenführers. Zum 1. Juli 1937 schied Schenk wegen Krankheit aus der SA aus. Schenk gehörte auch noch weiteren NS-Organisarionen an - der NS-Volkswohlfahrt seit 1. Oktober 1933, dem Deutschen Reichskriegerbund seit 1933, dem Reichskolonialbund seit 1937 und dem Reichsluftschutzbund seit 1933. Bei der Stadtverwaltung war Fritz Schenk offenbar im Zusammenhang mit der Zwangsverwaltung in Buer auch mit Aufgaben im Bereich der Obdachlosenpolizei beschäftigt und dürfte dabei auch schon mit Fragen der Behandlung von Sinti und Roma befaßt gewesen sein. In den städtischen Akten über die Verwaltung des „Zigeunerlagerplatzes" finden sich seine Namenskürzel bzw. Paraphen seit 1935.

Nachdem Schenk 1935 zum Stadtoberinspektor aufgestiegen war, wurde er im Januar 1939 Amtsleiter der Stadtpolizei und im gleichen Jahr auch Stadtamtmann. Wahrscheinlich nahm Schenk leitende Aufgaben beim Stadtpolizeiamt schon seit spätestens 1937 wahr, als sein Vorgänger in den Ruhestand versetzt wurde. Auch im reorganisierten Stadtpolizeiamt ab April 1939 blieb Schenk Amtsleiter und leitete dabei gleichzeitig die Außendienst-Abteilung.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gelangt Schenk offenbar zum Amt 80, dem Besatzungsamt. Hier wurde Fritz Schenk auf Anordnung der Militärregierung am 26. Juni 1945 mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Diese Anweisung wurde schon bald abgeschwächt: Am 9. August 1945 hieß es in einer weiteren Anweisung der Militärregierung: "Sie dürfen den Obengenannten auf einem Posten beschäftigen, wo er seine Stellung nicht benutzen kann, um irgendeinen alten Genossen zu begünstigen." Schenk wurde daraufhin am 15. August 1945 zum Kriegsschädenamt (74) versetzt. Doch gegen Schenk schritt nun der Personalausschuß ein. Am 12. Dezember 1945 erfolgte eine einstimmige Entscheidung des Personalausschusses der Stadt, daß Schenk wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP und seiner Funktion als politischer Leiter für die Stadtverwaltung nicht mehr tragbar sei. Daraufhin fragte der Oberbürgermeister am 21. Dezember 1945 bei der Militärregierung an, ob Schenk trotz des Beschlusses des Personalausschusses weiterbeschäftigt werden könnte. Auf die Anfrage reagierte die Militärregierung am 13. Februar 1946 mit Entlassung Schenks. Die Militärregierung lehnte, wohl auf eine entsprechende Anfrage der Stadt, am 5. Juni 1946 eine Wiederbeschäftigung Schenks ab. Schenk ging gegen die Anordnung der Militärregierung gerichtlich vor und gewann. Nach Bescheid über die gewonnene Berufung gegen die Entlassung vom 2. Januar 1947 galt Schenk ab 2. Januar 1947 als wieder eingestellt.

Schenk wurde nun beim Stadtamt 55, dem Baulenkungs- und Rechnungsamt, als Beauftragter für die Überwachung der Produktion in der Baustoffindustrie beschäftigt. Da das Entnazifizierungsverfahren für Schenk am 28. August 1947 eine Einreihung in Kategorie III ("Minderbelastete") ergab, konnte er bei der Stadtverwaltung nur in der Stellung eines Oberinspektors weiterbeschäftigt werden. Durch eine Berufung gegen seinen Entnazifizierungsbescheid erreichte Schenk dann am 24. November 1947 aber eine Einreihung in Kategorie IV ("Mitläufer") und damit auch die Aufhebung der beruflichen Beschränkungen. Am 17. Juli 1948 wurde Fritz Schenk zum Grundstücksamt (Preisbehörde für Grundstücke und Mieten und Pachte) versetzt. Bis zum Wechsel in den Ruhestand am 30. September 1950 erhielt Schenk von seinen Vorgesetzten nur gute Zeugnisse. Fritz Schenk erhielt im Ruhestand eine Pension ohne Anrechnung der Zeiten der Suspendierung. Er starb am 26. April 1953.

Im Entwurf des Personalamtes für ein Beileidsschreiben des Oberstadtdirektors an die Witwe, das gemäß "Ab-Vermerk" (30. April 1953) auch abgeschickt wurde, hieß es: "Zu dem unerwarteten Tode Ihres Gatten, Herrn Stadtamtmann a.D. Schenk spreche ich Ihnen meine aufrichtige Anteilnahme aus. Ihr Gatte stand über 30 Jahre im Dienste der Stadt Gelsenkirchen. In dieser langen Zeit hat der Verstorbene der Verwaltung unermüdlich und mit bestem Erfolge gedient. In seiner langjährigen Tätigkeit als Amtsleiter des früheren Stadtpolizeiamtes leitete Ihr Gatte das Amt in den schwierigen Kriegsjahren von 1939 bis 1945 mit einer nie erlahmenden persönlichen Einsatzbereitschaft. Die Stadtverwaltung Gelsenkirchen wird dem Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren." Zu dem Entwurf eines Beileidsschreibens gehörte zur Information über den Verstorbenen ein kurzer Uberblick über dessen berufliche Stationen in der Bueraner und Gelsenkirchener Stadtverwaltung, in dem sich auch die zweimalige Suspendierung vom Dienst nach der Befreiung vom Nationalsozialismus "aus politischen Gründen" fand.

Quelle: Stefan Goch "Mit einer Rückkehr nach hier ist nicht mehr zu rechnen" - Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des "Dritten Reiches" im Raum Gelsenkirchen, Essen 1999. Stadtpolizeiamtsleiter Fritz Schenk, S.55-58.


Andreas Jordan, Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. Juli 2017.

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