STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

← STOLPERSTEINE Gelsenkirchen

WILDENBRUCHPLATZ NR. 13
1942 SAMMELLAGER

Verlegeort HELENE LEWEK

JG. 1881
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD
25.1.1942

HIER WOHNTE

Verlegeort HELENE LEWEK

JG. 1881
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD
25.1.1942

Verlegeort: Wildenbruchplatz/Höhe Polizeiwache und Neustadtplatz 6, Gelsenkirchen

Im Haus Neustadtplatz Nummer 6, der früher Moltkeplatz hieß, wohnte und lebte Helene Lewek, geboren am 29. Juli 1881 in Mikstat. Heute, am 22. Juni 2010, verlegen wir zur Erinnerung an Helene Lewek zwei Stolpersteine in Gelsenkirchen. Einer der Stolpersteine wird am Neustadtplatz 6 verlegt, ein weiterer am Standort des damaligen temporären "Judensammellagers" am Wildenbruchplatz.

Dieses Haus, vor dem ein Stolperstein an Helene Lewek erinnert, war ab Ende der Dreißiger Jahre eines der so genannten Gelsenkirchener → "Judenhäuser". Das Haus gehörte dem jüdischen Kaufmann Siegmund Schettmar, bis es ihm durch die staatlich legitmierte Ausplünderung jüdischer Menschen in Folge der so genannten "Arisierung" geraubt wurde.

Der Begriff 'Judenhaus' wurde im nationalsozialistischen Deutschen Reich im Alltags- und Behördengebrauch für Wohnhäuser aus ehemals jüdischem Eigentum verwendet, in die ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter eingewiesen wurden - die Vorform innerstädtischer Ghettos. Die Belegungsdichte innerhalb dieser 'Judenhäuser' wurde seit 1939 gesteigert, bis schließlich pro Haushalt (egal ob Einzelperson oder Familie) nur noch ein Raum, bei gemeinsamer Benutzung der sanitären Anlagen, zur Verfügung stand. Neben ideologischen Gründen bestimmten auch handfeste materielle Interessen auf kommunaler Ebene diese Maßnahmen. Die Auswahl der Häuser und die zwangsweise Umquartierung der Betroffenen erfolgte zunächst durch das städtische Wohnungsamt. Den Menschen wurden pro Person maximal sechs bis acht Quadratmeter Wohnfläche zugestanden.

Der jüdische Schriftsteller Victor Klemperer notierte über ein Dresdner Judenhaus: "Cohns, Stühlers, wir. Badezimmer und Klo gemeinsam. Küche gemeinsam mit Stühlers, nur halb getrennt - eine Wasserstelle für alle drei (...) Es ist schon halb Barackenleben, man stolpert übereinander, durcheinander." Klemperer schreibt in seinen Tagebüchern mehrfach über ihm berichtete wie auch selbst erlebte "Haussuchungspogrome", bei denen die Bewohner von Gestapobeamten beleidigt, bespuckt, geohrfeigt, getreten, geschlagen und bestohlen wurden. "Im Aufwachen: Werden "Sie" heute kommen? Beim Waschen…: Wohin mit der Seife, wenn "Sie" jetzt kommen? Dann Frühstück: alles aus dem Versteck holen, in das Versteck zurücktragen. (...) Dann das Klingeln ... Ist es die Briefträgerin, oder sind "Sie" es?" Die Verhältnisse in den Gelsenkirchener Judenhäusern werden nicht anders gewesen sein.

Stolperstein an der Wildenbruchstrasse

Ein weiterer Stolperstein für Helene Lewek wird am Standort der ehemaligen Ausstellungshalle an der Wildenbruchstrasse /bzw. -platz verlegt. Auf dem Gelände befindet sich heute das Gebäude der Landesbehörde Straßen.NRW und die Polizeiwache Gelsenkirchen Süd. Die Austellungshalle wurde von den Nazis im Januar 1942 als temporäres Sammellager für die Deportation Gelsenkirchener Juden genutzt. Dort entzog sich Helene Lewek der Entwürdigung, Verfolgung und Deportation, in dem Sie die Flucht in den Tod wählte. Dieser Stolperstein wird auch symbolisch an die jüdischen Menschen aus Gelsenkirchen und Umgebung erinnern, die in der Ausstellungshalle gesammelt wurden, bevor man Sie am 27. Januar 1942 nach Riga deportierte. Die meisten von ihnen wurden von den Nazis ermordet, nur einige wenige überlebten das Grauen. Kantor Yuri Zemski betete für die NS-Opfer, die von der Wildenbruchstrasse nach Riga zumeist in einen gewaltsamen Tod deportiert wurden, das El Male Rachamim. Bereits 2014 haben wir die Schaffung eines entsprechenden Gedenk- und Erinnerungsortes an dieser Stelle beantragt. Das Institut für Stadtgeschichte teilte jüngst auf unsere Nachfrage hin mit, das man "zuversichtlich sei, im Laufe des Jahres 2020 eine entsprechende Erinnerungsorte-Tafel installieren zu können."

Moltkeplatz, der heutige Neustadtplatz in Gelsenkirchen

Foto: Moltkeplatz, der heutige Neustadtplatz in Gelsenkirchen. (Ansichtskarte aus der Sammlung Karl Heinz Weichelt, mit freundlicher Genehmigung)

Der Moltkeplatz 6, der heutige Neustadtplatz in Gelsenkirchen. Hier lebte Helene Lewek im Haus Nr. 6, bevor die Nazis sie in den Freitod trieben.</h4>

Foto: Der Moltkeplatz 6 in den dreißiger Jahren, der heutige Neustadtplatz in Gelsenkirchen. Hier lebte Helene Lewek im Haus Nr. 6, bevor die Nazis sie in den Suizid trieben.(Ansichtskarte aus der Sammlung Volker Bruckmann, mit freundlicher Genehmigung)

Der heutige Neustadtplatz 6 in Gelsenkirchen. Das Haus hat äußerlich unbeschadet den Krieg überstanden</h4>

Foto: Der heutige Neustadtplatz 6 in Gelsenkirchen. Das Haus hat äußerlich unbeschadet den Krieg überstanden, vor diese Haustür wird der Stolperstein zur Erinnerung an Helene Lewek verlegt.

Die Ausstellungshalle, im Januar 1942 von den Nazis als Sammellager für die Deportationen jüdischer Menschen aus Gelsenkirchen genutzt

Foto: Die Ausstellungshalle, im Januar 1942 von den Nazis als Sammellager für die Deportationen jüdischer Menschen aus Gelsenkirchen genutzt.

Wildenbruchstrasse, etwa Höhe Nr.31

Foto: Wildenbruchstrasse im Februar 2010. Am Standort der ehemaligen Austellungshalle, die den Nazis 1942 als Sammellager für Juden diente, befindet sich heute das Dienstgebäude von Strassen NRW sowie die neue Polizeiwache Gelsenkirchen-Süd.

Stolperstein

Foto: Der anhaltende Frost verhinderte am 9. Februar 2010 vorerst die Verlegung der STOLPERSTEINE für Helene Lewek. Die STOLPERSTEINE wurden nur symbolisch verlegt. Die endgültige Verlegung fand am 22. Juni 2010 statt.

→ Fotostrecke von der Verlegung Neustadtplatz 6 u. Wildenbruchstrasse


Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, STOLPERSTEINE Gelsenkirchen, 1/2010. Editiert 6/2010,8/2019

↑ Seitenanfang