Der Klempnermeister Bernhard Höchster, geboren am 26. März 1870 in Altenlotheim Kreis Frankenburg, war mit Klara Höchster, geb. Goldstein, geboren am 24. Juni 1874 in Krefeld, verheiratet. Das Ehepaar Höchster hatte zwei Kinder, die am 19. Februar 1902 in Essen geborene Berta und den am 10. April 1906 in Gelsenkirchen geborenen Max [1]. Berta Höchster verzog 1920 nach Herbede. Max Höchster war mit der am 25. Dezember 1906 in Oberhausen geborenen Therese Höchster, geb. Servos, gesch. Levy verheiratet. [2]
Bernhard Höchster betrieb in Gelsenkirchen an der heutigen Feldmarkstraße 119 eine Klempnerei und ein Installationsgeschäft. Bei seinen Kunden war Bernhard Höchster als ordentlicher und fleißiger Handwerker bekannt, er besaß auch eine Konzession zur Ausführung von Gasanlagen. Das Geschäft florierte, neben zwei Gesellen beschäftigte Meister Höchster auch zwei Lehrlinge.[3] Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 war jedoch auch Bernhard Höchster und seine Familie als Juden von Boykotten, Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen. Das Jahreseinkommen aus seiner Handwerkstätigkeit und dem Ladengeschäft, dass 1933 noch bei ca. 6000 RM gelegen hatte, sank in der Folgezeit erheblich.
1935 beschloss der NS-Staat, keine öffentlichen Aufträge mehr an jüdische Firmen zu vergeben und den öffentlich Bediensteten und Parteigenossen wurde verboten, bei Juden einzukaufen. Die jüdischen Betriebe wurden auch von ihren Zulieferern isoliert, indem sich "arische" Lieferanten freiwillig weigerten zu liefern, durch reduzierte Rohstoffquoten der Kartelle und auch durch die Reduzierung der staatlichen Devisenzuteilung.[4] In der Folge verarmte auch Familie Höchster zusehends.
Abb. 1: Der Grabstein von Bernhard Höchster auf dem jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen-Ückendorf. Über die ursächlichen Gründe für seinen Tod ist bisher nichts bekannt.
Als Berhard Höchster am 27. September 1938 starb, übernahm zunächst Sohn Max den väterlichen Betrieb. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es auch in der Werkstatt und dem Laden von Familie Höchster zu Zerstörungen. Die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" vom 12. November 1938 schloss sich nahtlos an die "Reichspogromnacht" an; es folgte am 3. Dezember 1938 die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens. Die wenigen verbliebenen Betriebe jüdischer Inhaber wurden damit zwangsweise neuen nichtjüdischen "Eigentümern" übereignet, oder sie wurden aufgelöst bzw. liqidiert. Der Besitz von Familie Höchster wurden von dem "arischen" Kaufmann Paul Klinkmann "übernommen". Ab dem 1. Januar 1939 war deutschen Juden das Betreiben von Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben sowie das Anbieten von Waren und Dienstleistungen gänzlich untersagt.[5]
Nach der Schließung des elterlichen Betriebes arbeitete Max Höchster bis zu seiner Deportation im Januar 1942 als Klempnergeselle bei der Firma Adolf Kempener in Gelsenkirchen-Rotthausen. Es ist davon auszugehen, das es sich dabei um vom Arbeitsamt zugewiesene Zwangsarbeit gehandelt hat.
1939 wurde den noch in Deutschland lebenden Juden auch die Mietrechte entzogen. Max und seine Mutter mussten ihre Wohnung verlassen und wurden laut Einwohnermeldekarte am 30. September 1940 in eines der so genannten Gelsenkirchener "Judenhäuser" (eine Vorform der Ghettos) an der damaligen Hindenburgstr. 38 (Heutige Husemannstraße) zwangseingewiesen.
Abb.2: Ghetto Riga, ca. 1942
Am 27. Januar 1942 wurden Max, Therese und Klara Höchster von Gelsenkirchen in das Ghetto Riga deportiert. Die Menschen wussten nicht, was sie am Bestimmungsort erwarten sollte. Einige Wochen vor der Deportation hatten die von der Deportation Betroffenen bereits Briefe erhalten, darin wurde den Empfängern verschleiernd mitgeteilt, dass sie zur "Evakuierung in den Osten" eingeteilt sind und sich an einem bestimmten Tag mit dem erlaubten Gepäck für den Transport bereit zu halten haben.
Abb.3: Die staatlich legalisierte Ausplünderung jüdischer Menschen setzte sich auch bei der Deportation nach Riga fort: Für seine Frau, für sich und den gemeinsamen Sohn musste auch der Gelsenkirchener Max Schloss 150,- RM als "Gebühr Evakuierung" und weitere 120,- RM "Transportkosten" für die Mitnahme der beweglichen Habe bezahlen - gegen Quittung.
Die Menschen glaubten zu diesem Zeitpunkt noch an einen Arbeitseinsatz im Osten, wurde doch in den Briefen detailliert aufgelistet, welche Ausrüstungsgegenstände mitzunehmen sind: Schlafanzug, Nachthemd, Socken, Pullover, Hosen, Hemden, Krawatten, warme Kleidung, Nähzeug, Rasierzeug, Bettzeug, Medikamente und Verpflegung. Arbeit im Osten, daran glaubte man. Denn Arbeit bedeutet Brot, und Brot bedeutet Leben, bedeutet Überleben, so dachten die meisten.
Niemand konnte sich vorstellen, dass das alles nur Lug und Trug war, perfider Teil eines Mordplans, den die Nazis "Endlösung" nannten. Noch kurz vor der Deportation hat Max Höchster bei der Firma Röhrscheid in Gelsenkirchen im Glauben an einen Neuanfang als Klempner am Bestimmungsort Handwerkszeug und Material eingekauft. Die Waggons mit den wenigen Habseligkeiten der Verschleppten wurden jedoch bereits in Hannover abgehängt und haben den Bestimmungsort Riga nie erreicht.
Klara Höchster, die in den Augen der SS als "nicht mehr arbeitsfähig" galt, sie war zu diesem Zeitpunkt bereits 68 Jahre alt, wurde bei einer der Mordaktionen (Aktion "Dünamünde") am 26. März 1942 in Riga ermordet.[6] Max und Therese Höchster wurde nach Auflösung des Ghettos Riga in das KZ Kaiserwald in Riga überstellt. Therese Höchster starb im Juli 1944 im KZ Kaiserwald. [7]
Als die Rote Armee im Herbst 1944 näher rückte, wurden die Häftlinge auf dem Seeweg nach Stutthof bei Danzig verschleppt. Max Höchster ist am 1. Oktober 1944 im KZ Stutthof angekommen.[8] Ende Januar 1945 wurde schließlich die "Evakuierung" des KZ Stutthof befohlen. Etwa 11.000 Häftlinge wurden in Kolonnen von jeweils etwa 1000 Menschen auf einen Todesmarsch in das etwa 140 Kilometer entfernte Lebork (Lauenburg) geschickt. Eine Kolonne, in der sich auch Max Höchster befand, erreichte schließlich das bereits geräumte Zivilarbeiterlager Rybno (Rieben) in Pommern, dass ab dem 3. Februar 1945 als Auffanglager für Häftlinge aus Stutthof diente. Noch vor der Befreiung des Lagers Rieben am 10. März 1945 ist Max Höchster dort umgekommen, die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt.[9]
Die Patenschaft für zwei der Stolpersteine, die an Lebens- und Leidenswege der Familie Höchster erinnern, hat Else Asemann übernommen.
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