STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

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HIER WOHNTE

Verlegeort AUGUST KAHN

JG. 1869
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 11.10.1944

HIER WOHNTE

Verlegeort ROSA KAHN

GEB. WEBER
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 4.9.1942

Verlegeort: Gewerkenstraße 68 (16. April 2020)

Aufruf zum Boykott, 1933

Abb.: Adressbuch Gelsenkirchen, Ausg. 1927. Das "E" hinter der Hausnummer weist August Kahn als Eigentümer des Hauses aus

Der Metzgermeister August Kahn, geboren am 22. Mai 1869 in Mayen, war mit Rosa Kahn, geb. Weber, geboren am 12. März 1872 in Andernach, verheiratet. August Kahn betrieb bereits 1925 seine Metzgerei an der Gewerkenstr. 68 [1] August Kahn war dem FC Schalke 04 auf vielfältige Weise verbunden, viele Spieler unterhielten persönliche Kontakte zu ihm. Bei ihm in der Wurstküche stärkten sich die Spieler nach dem Training. 1933 wurde er als Jude aus dem Verein ausgeschlossen.


Aufruf zum Boykott, 1933

Abb.: Aufruf zum Boykott am 1. April 1933 gegen Geschäfte, Praxen und Kanzleien jüdischer Eigentümer

Auch August Kahn war in der Folgezeit von den Boykottmaßnahmen und Repressionen der neuen Machthaber betroffen. Unter den jüdischen Menschen erkannten einige in diesen Maßnahmen ein Signal, dass die Nazis nicht bei ihrem bisher verbal zum Ausdruck gebrachten Antisemitismus stehen bleiben würden und bereiteten ihre Flucht aus Deutschland vor. August Kahn hingegen war wie viele andere seiner Glaubensbrüder zunächst noch davon überzeugt, dass der "Keilov" - Jiddisches Wort für Hund, damit gemeint war Hitler, ihm nicht viel anhaben könne.

Noch bis 1938 hing in seinem Schaufenster ein Plakat "Ich bin Frontkämpfer des Weltkrieges und Träger des EK I" [2] Möglicherweise hoffte August Kahn, mit der offensiven Demonstration seiner nationalen Gesinnung noch Einfluß auf drohendes Unheil nehmen zu können. Doch wie viele andere jüdische Handel- und Gewerbetreibende verlor auch Familie August Kahn in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre Betrieb und persönlichen Besitz durch die staatlich legitimierte Ausplünderung ("Arisierung"). Bis zur Zwangseinweisung in eines der Gelsenkirchener "Judenhäuser" an der Klosterstr. 21 [3] lebte das Ehepaar Kahn an der Gewerkenstraße 68.[4] Die so genannte 'Theresienstädter Liste' nennt eine davon abweichende letzte Wohnanschrift vor der Deportation: Franz-Seldtestr. 84 (heutige (heute Florastrasse). [5] Auch das Haus aus dem Besitz der jüdischen Familie Spanier wurde von den Verfolgungsbehörden als so genanntes "Judenhaus" genutzt.

Todesfallanzeige Rosa Kahn aus dem Ghetto Theresienstadt

Abb. 3: Todesfallanzeige Rosa Kahn aus dem Ghetto Theresien- stadt

August und Rosa Kahn wurden am 31. Juli 1942 von Gelsenkirchen über Münster mit einem so genannten "Alterstransport" nach Theresienstadt verschleppt. Der Deportationstransport XI/1 (Reichsbahn-Kürzel Da 77) war ab Münster eingesetzt, dorthin wurden die zur Deportation bestimmten Menschen mit Zügen, LKW oder Bussen transportiert und gesammelt. Insgesamt befanden sich schließlich 901 jüdische Menschen in dem Transportzug XI/1, der am 1. August 1942 das Ghetto Theresienstadt erreichte.

"Untergebracht" war Rosa Kahn laut dem Eintrag in der Todesfallanzeige im Gebäude L124 /Seestrasse 24, Zimmer 21. Ein kümmerlicher Raum, in dem Rosa Kahn unter katastrophalen hygienischen und sanitären Umständen bis zu ihrem Tod dahinvegetieren musste. Das so genannte "Schleusenkrankenhaus" war in einem alten Schulgebäude untergebracht, das zunächst als "Schleuse" gedient hatte. "Schleuse" hieß die Sammelstelle für ankommende bzw. abfahrende Deportierte, die nach einem Aufenthalt von mehreren Stunden bis zu einigen Tagen von hier im Lager einquartiert bzw. zum Deportationszug (Folgetransport) geleitet wurden. Viele der Deportierten starben bereits auf dem Transport oder dann an den Folgen der Bedingungen in Theresienstadt. August Kahn starb am 11. Oktober 1944 im Ghetto Theresienstadt [6], seine Frau Rosa starb bereits am 4. September 1942.[7] Laut der "Todesfallanzeige" aus dem Ghetto starb Rosa Kahn angeblich an Lungenentzündung. Vermerk auf dem Dokument unter "Krankheit": "Herzerweiterung, Lungenödem, sterbend eingeliefert".

Die Menschen aus diesem Transport wurden dann mit Folgetransporten weiter nach Auschwitz, Treblinka, Maly Trostinez und andere Vernichtungslager verschleppt und dort ermordet - von den 901 Menschen in diesem einen Tansport wurden 835 ermordet. Von den darunter befindlichen 44 nach Theresienstadt deportierten Gelsenkirchener Juden haben nur 4 die NS-Verfolgung überlebt.

Biografische Zusammenstellung: Andreas Jordan, August 2011.

Die beiden Stolperstein-Patenschaften für das Ehepaar August und Rosa Kahn hat Frau Ingeborg Mayr-Matthaei übernommen.

Quellen:
Abb.3: http://www.holocaust.cz/databaze-dokumentu/dokument/81404-kahn-rosa-oznameni-o-umrti-ghetto-terezin/ (Abruf Mai 2011)
[1] Fleischerei-Adressbuch 1925, Westfalen
[2] Vgl. Georg Röwekamp: Der Mythos lebt - Die Geschichte des FC Schalke 04, Verlag Die Werkstatt, 2003, August Kahn, S. 124
[3] Andreas Niewerth: Gelsenkirchener Juden im Nationalsozialismus - Eine kollektivbiographische Analyse über Verfolgung, Emigration und Deportation, Essen 2002. Darin S. 369 Deportationsliste vom 31. Juli 1942
[4] The 1939 German "Minority Census" Database
[5] Statistik des Holokaust, http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_420731.html , Juden aus Gelsenkirchen S.30-33 (Abruf Mai 2016)
[6] http://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/17683-august-kahn/ (Abruf Juli 2011)
[7] http://www.holocaust.cz/databaze-obeti/obet/17870-rosa-kahn/ (Abruf Juli 2011)
Yad Vashem, Pages of Testimony Names Memorial Collection, Item ID915967 (August Kahn)
Yad Vashem, Pages of Testimony Names Memorial Collection, Item ID1641272 (Rosa Kahn)
Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Bundesarchiv. Namensverzeichnis: http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de (Abruf Juli 2011)
Sekundärliteratur:
H.G. Adler: Theresienstadt 1941-1945: Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, 2012
Stefan Goch u. Nobert Silberbach: "Zwischen Blau und Weiß liegt Grau", Jüdische Mitglieder und Unterstützer, August Kahn, S. 242. Klartext Essen 2005

Stolpersteine für August und Rosa Kahn, verlegt am 16. April 2020

Stolpersteine Gelsenkirchen - Ehepaar august und Rosa Kahn


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2011. Editiert Mai 2016, April 2020

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