STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

Stolpersteinverlegung in Gelsenkirchen am 20. August 2011 - Redebeitrag von Dr. Rolf Heinrich

Stolperstein Astrid Steiner

- Es gilt das gesprochene Wort -

Dr. Rolf Heinrich spricht.Abb.: Dr. Rolf Heinrich spricht.

„Wie soll man Kinder lieben?“, heißt der Titel eines Buches, das der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak geschrieben hat. Er leitete bis 1942 ein Waisenhaus in Warschau. 200 Kinder seines Waisenhauses wurden im Vernichtungslager Treblinka vergast.

Janusz Korczak ließ die Kinder nicht im Stich, er begleitete sie bis zuletzt und ging freiwillig mit ihnen in die Gaskammer. Ich erinnere an diesem Stolperstein an Worte von ihm. Diese Worte verbinden das Leiden seiner Waisenkinder und sein eigenes Leiden mit dem von Astrid Steiner.

„Ohne Kinder hätte unser Leben keinen Zweck. Was wäre das Auflisten allen Unrechts und aller Schmerzen, das Auflisten der Unterdrückung und der Verbrechen von heute wert, was die Proteste und Kämpfe, wenn es nicht diejenigen gäbe, die das Banner aus den erstarrten Händen der Sterbenden willig aufnehmen und es weitertragen – den dornigen Weg in den neuen Morgen. Ohne das Kind erlebten wir die letzte Dämmerung, auf die die Nacht folgt und dann nur noch die Nacht.“

Im Weinen der Kinder hört Korczak den Schmerz, das Leid und die Sehnsucht von Jahrhunderten. „Alle Tränen sind salzig. Wer das begreift, kann Kinder erziehen. Nur deine Tränen, mein Kind, nur dein Lächeln, du meine herzliche Sorge, gehen mich etwas an.“

Als Anwalt der Kinder forderte er eine Erklärung der Rechte eines Kindes. Drei Grundrechte fand er heraus:

„Das Recht des Kindes auf seinen Tod.
Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag.
Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist.“

Korczak, seine Mitarbeiterinnen und 200 Kinder durchschritten die Todesfluten von Treblinka und das Tor des Vernichtungslagers.

„Wohin aber öffnen sich die Flügel des Tores?“ fragte der jüdische Philosoph Franz Rosenzweig. Und er antwortete: „Du weißt es nicht? – ins Leben“ ins Nicht-vergessen und in die Mahnung: Nie wieder!

Ich schließe mit den Worten, die jüdische Menschen an die Wand eines Kölner Kellers schrieben, in dem sie sich vor den Nazis versteckten:

„Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint.
Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott, auch wenn Gott schweigt.“


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2011

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