STOLPERSTEINE GELSENKIRCHEN

Ausgrenzung erinnern


Stolpersteine Gelsenkirchen

Stolpersteinverlegung in Gelsenkirchen - Redebeiträge von Bärbel Beuermann

Redebeitrag von Bärbel Beuermann anlässlich der Stolpersteinverlegung für Oskar Behrendt am 1. August 2011 in Gelsenkirchen, Bärbel Beuermann sprach auch eine Abschlussrede an der Bismarckstrasse 152.

Bärbel Beuermann nahm an den Stolperstein-Verlgungen 2011 in Gelsenkirchen teil.

- Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

es ist mir eine Ehre, einige Worte der Erinnerung an den Genossen Oskar Behrendt an Sie und Euch richten zu dürfen. Leider sind mir nur wenige Versatzstücke seines kurzen, ereignisreichen Lebens bekannt. Oskar wurde am 27. August 1902 in Schönebeck im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. In welchem Alter er ins Ruhrgebiet kam, ist unbekannt. Aus seiner ersten Ehe brachte er eine Tochter mit in die zweite, die er am 21. Oktober 1927 in Gelsenkirchen mit Erna Frieda Klaiberg einging. Am 6. April 1929 wurde ihr gemeinsamer Sohn Werner geboren, der leider im Jahr 2009 verstorben ist.

Oskar und seine Familie lebten in proletarischen Verhältnissen im Ruhgebiet. Der Alltag der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Weimarer Republik war geprägt von Entbehrungen und rechten Anfeindungen, von Repression und Not. Wie viele tausend andere, organisierte sich Oskar Behrendt in der KPD und in der Roten Hilfe. Wir dürfen annehmen, dass sein Engagement herausragend war, denn er war gemeinhin bekannt und beliebt. Oskar diente der Bewegung als Chefredakteur des „Ruhr-Echos“ und als Bezirkssekretär Ruhr der Roten Hilfe. In Buer, bis zum 1. April 1928 noch eine kreisfreie Stadt, war er als Stadtverordneter für die KPD tätig. Seine Antwort auf das Elend der Krisenjahre hieß Widerstand, seine Antwort auf die dringenden Fragen der Zeit hieß Solidarität. Es darf nicht verwundern, dass Oskar somit zu einem der erbittertsten Gegner der Nationalsozialisten wurde. Mit dem Tag der Machtübertragung an die Faschisten war sein Schicksal besiegelt.

Als Antifaschist wurde er auf staatsanwaltschaftliche Anordnung am 16. August 1933 gegen 18 Uhr in das Gelsenkirchener Gerichtsgefängnis verbracht. Dort wurde er auf bestialische Weise gefoltert und schließlich am nächsten Tag um 14:30 Uhr ermordet. Die Details, die das gerichtsmedizinische Gutachten damals sicherte, bezeugen den Haß und die Lebensfeindschaft, die seine Peiniger an den Tag legten. Offiziell allerdings verstarb unser Genosse Oskar Behrendts an einem Herzschlag.

Liebe Anwesende, ich kann und will ein besonders beschämendes Detail nicht unerwähnt lassen: Aufgrund Mangels an Beweisen wurde das nach 1945 eingeleitete Totschlagsverfahren gegen den Gefängnisvorsteher und einen Hilfswachtmeister eingestellt. Das Verbot gegen Oskars Partei und die Hilfsorganisation „Rote Hilfe“ hingegen wurden in den jungen Tagen unsere Bundesrepublik neuerlich bestätigt. Wenn wir uns heute an Oskar und die vielen anderen Opfer der Nazis erinnern, sollten wir dabei die Idee und die Lebenshaltung nicht vergessen, wegen derer diese Menschen sterben mussten: Ihre internationale Solidarität und Weltoffenheit, ihr Friedenswille und Gerechtigkeitssinn können heute in uns und unserem Handeln weiterleben. Mein Dank gilt den Organisatorinnen und Organisatoren, sowie den Patinnen und Paten des STOLPERSTEINE-Projekts.
Ich danke Ihnen und Euch für die Aufmerksamkeit.

Abschlussrede von Bärbel Beuermann anlässlich der Stolpersteinverlegungen
in Gelsenkirchen, 1. August 2011

- Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Anwesende,

wir haben uns heute hier versammelt um den Opfern des Nationalsozialismus zu Gedenken. Als ich gebeten wurde zu sprechen, fragte ich mich, wie will man wirklich passende Worte finden, für das was geschehen ist?

Für das Leid und die unfassbare menschliche Tragödie die der deutsche Faschismus über dieses Land, Europa und die ganze Welt brachte. Millionen Tote im Krieg und Millionen Tote aus barbarischer Unmenschlichkeit. Liebe Anwesende, seit jeher ist der Schwur von Buchenwald für mich Leitlinie meines Handelns, in ihm heißt es:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Die Erfüllung dieses Schwurs soll Mahnung und Verpflichtung für uns und nachfolgende Generationen sein. Ich möchte heute auch an die Ereignisse vor 10 Tagen in Oslo erinnern. Sie sind auch Ausdruck dafür, das wir dieses Ziel noch lange nicht erreicht haben. Auch 66 Jahre nach dem militärischem Sieg über den Faschismus, ist er für viele Menschen eine Bedrohung. Die Zunahme von Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus, das erstarken rechter, dem Faschismus naher, Parteien ist ein europäisches Problem, das es zu lösen gilt, Konsequent und mit friedlichen Mitteln. Als Demokratinnen und Antifaschistinnen ist uns die Erinnerung nicht nur Mahnung, die Erinnerung ist uns eine Verpflichtung. Nach wie vor ist die Erfüllung des Schwurs von Buchenwald unsere oberste Pflicht!

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“

Ich verneige mich vor den Getöteten.


Projektgruppe STOLPERSTEINE Gelsenkirchen. August 2011

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